Supertoskaner
Als Supertoskaner (Supertuscan) werden Rotweine aus der italienischen Region Toskana bezeichnet, die eine höhere Qualität, als die üblichen Appelationsweine besitzen.
Supertoskaner oder Supertuscans werden (meist rote) Weine aus der Toskana genannt, die keinen DOC- oder DOCG-Status besitzen, aber den Anspruch erheben, die offiziellen Qualitätsweine im Niveau zu übertreffen. Der Name ist ein ‚Kind‘ des US-amerikanischen Weinjournalismus – gerade Robert Parker spielte dabei eine prägende Rolle. Parker war der Ansicht, dass derart hochklassige Weine eine eigene „Kategorie“ verdienten – und sei es auch nur eine inoffizielle. Strenggenommen bezeichnet „Supertoskaner“ eher ein Marktsegment.
Piero Antinori – ein blaublütiger „Revolutionsführer“ ist so frei
Dass die toskanischen Weine nichts zu verlieren hätten als ihre Ketten – diese revolutionäre Kampfansage an das Establishment des italienischen Weinrechts mit seinen engen DOC-Grenzen kam ausgerechnet von Piero Antinori: der einem alten toskanischen Adelsgeschlecht entstammt und einer Familie, die sich schon seit dem 12. Jahrhundert mit der Herstellung und dem Verkauf von Weinen befasst. Mehr Tradition geht kaum. Typisch für Piero Antinori ist es, dass er diese Tradition erfolgreich fortsetzte – indem er mit ihr brach!
Der erste Supertoskaner hebt zum Höhenflug ab
Zusammen mit dem Önologen Giacomo Tachis (1933–2016) verblendete Antiniori die authentische toskanische Sangiovese – wider die Bestimmungen des Weinbaugesetzes – mit französischen Rebsorten. Zunächst reduzierten sie den damals für den Chianti Classico vorgeschriebenen Weißweinanteil, außerdem setzten sie Barriques ein: ein unerhörtes Novum damals in Italien. Wegen solcher Regelverletzungen durfte der sehr hochwertige Tignanello nur als einfacher Tafelwein (Vino da Tavola) gehandelt werden. Doch schon der erste Jahrgang 1971 war außerordentlich erfolgreich. Ab Jahrgang 1975 kamen die französischen Sorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc hinzu; auf weiße Trauben wurde nun komplett verzichtet. Der Tignanello kann wohl als erster Supertoskaner – und Wegbereiter einer ganzen Welle solcher Innovationen – angesehen werden.
Mehr Sein als Schein: Status ist nichts, Qualität ist alles!
Immer mehr Winzer in der gesamten Region wollten sich von den Fesseln der Vorschriften und Hierarchien befreien und Spitzenweine mit internationalem Flair kreieren. Dabei ließen sie sich beispielsweise von Bordeaux-Weinen inspirieren. Dass sie wegen der Verwendung „nicht vorgesehener“ Rebsorten und des Ausbaus in Barriques gezwungen waren, ihre Schöpfungen als einfache Tafelweine zu klassifizieren, konnte sie nicht davon abhalten. Der Erfolg gab ihnen recht – gerade in den USA wurden die Supertuscans gefeiert, und auch in Europa stieg die Nachfrage stetig an, so dass mit diesen modernen Weinen weitaus höhere Preise erzielt werden konnten als mit den erheblich besser eingestuften klassischen Chiantis. 1997 wurde der Solaia - ein weiterer Supertoskaner Antinioris – vom Wine Spectator zum „Besten Wein der Welt“ gekürt!
Seit 1992 die Landwein-Bezeichnung IGT (Indicazione Geografica Tipica) eingeführt wurde, können auch in Italien exzellente Tafelweine mit kontrollierter Herkunft vermarktet werden. Im Zuge der EU-Weinmarktordnung von 2009 wurde die Qualitätsstufe IGT durch IGP (Indicazione Geografica Protetta) ersetzt.
Da die Supertoskaner von der internationalen Weinkritik über lange Zeit zum Leitbild für italienische Weine erklärt wurden, übten sie auch einen starken Einfluss auf die Entwicklung anderer italienischer Weine - wie des Barolo und des Brunello di Montalcino – aus. Sie veränderten die Qualitätsansprüche von Produzenten wie Konsumenten. Und sie verbesserten das Image und den Ruf italienischer Weine enorm.
Kritische Stimmen und ein Wermutstropfen
Kritische Stimmen meinen, die Supertoskaner hätten ihren Zenit mittlerweile überschritten. Es mangle diesen „auf Gefälligkeit getrimmten“, international gängigen Weinen an Typizität. An einer historischen und herkunftsgebundenen Identität mit dem entsprechenden terroirbezogenen Geschmacksbild. Zu stark sei an der Preisschraube gedreht worden. Immer größere Mengen würden produziert, und das in schwankenden Qualitäten. Die Weine kämen allzu „beliebig“ rüber. Zu schwer, zu holzbetont.
Das mögen viele Toskana-Winzer anders sehen, die von ihren „Vorzeigeweinen“ überzeugt sind. Allerdings haben auch sie ein Problem, dann zumindest, wenn sie außerdem Chianti Classico herstellen und vermarkten wollen: an der Spitze der Preis- und Qualitätshierarchie steht bei ihnen kein geschützter Qualitätswein, sondern „nur“ ein IGP-Wein